Aufklärungsbücher für Kinder müssen – wie es auch bei anderen Büchern, Spielzeug und Kleidung ist – mit den Kindern mitwachsen.
Es ist wunderbar, wenn ein Kind mit zwei Jahren das erste Körperbuch bekommt. Mit vier Jahren muss dann allerdings ein umfangreicheres Körperbuch her. Dasselbe gilt natürlich auch für die Bücher, die das ganze „Baby zeugen und auf die Welt bringen“-Thema betreffen.

Im Volksschulalter kommt zu den Themen Befruchtung, Schwangerschaft, Geburt und Körper ein weiteres wichtiges Thema dazu: Die Pubertät. Klar ist es auch für Volksschulkinder spannend zu erfahren, wie ein Kind entstehen kann und was Erwachsene mit Sex meinen – aber natürlich sind die Erklärungen in Aufklärungsbüchern für Kinder ab acht Jahren anders als die für Kindergartenkinder.

Besonders spannend ist für Volksschulkinder ab etwa acht Jahren, was sich im eigenen Körper verändern wird oder auch bereits verändert. Das Wort Pubertät haben die meisten zu diesem Zeitpunkt schon gehört, doch nur wenige wissen wirklich, was das für sie bedeutet. Auch das Thema Verliebtsein wird immer interessanter.

Deshalb müssen mit etwa acht Jahren neue Aufklärungsbücher ins Bücherregal. Und um die geht es heute!

Wie immer gilt, dass die Altersangaben nur Richtwerte der Verlage sind und ich stelle nur Bücher vor, die sich an einige meiner Kategorien halten. Welche das sind, erfahren Sie hier!

Wie machen das die Tiere?

Interessanterweise wird mir in den Sexualpädagogik-Workshops in der Volksschule sehr oft folgende Frage gestellt: „Wie machen das eigentlich die Tiere?“ und ganz ehrlich? Keine Ahnung! Die tierische Fortpflanzung ist nicht mein Spezialgebiet. 😉

Umso besser, dass es Von der Gathen, Katharina/ Kuhl, Anke (2017): Das Liebesleben der Tiere.* des Klett-Verlages gibt, denn dieses Buch mit sehr schönem Cover und überaus gelungenen Illustrationen ist für genau diese Fragen wunderbar geeignet.
Das Buch ist wie ein Kinderlexikon aufgebaut und hat viel Text, wodurch es zum einfach mal durchlesen an einem Tag nicht unbedingt geeignet ist. Der Fokus liegt natürlich sehr auf Tieren, es werden aber immer wieder Vergleiche zum Menschen gezogen. Dadurch ist es aber aus meiner Sicht kein klassisches Aufklärungsbuch und eignet sich vor allem als Ergänzung zu einem „klassischen“ Aufklärungsbuch. Dennoch spricht es indirekt viele Aufklärungsthemen an und ist dabei auch noch divers, denn Themen wie Homosexualität, Patchworkfamilien und verschiedene Herkunft sind im Tierreich ganz normal und somit in diesem Buch zu finden.

Fragen über Fragen

Zwei weitere nicht klassische Aufklärungsbücher sind  Von der Gathen, Katharina/ Kuhl, Anke (2014): Klär mich auf: 101 echte Kinderfragen rund um ein aufregendes Thema.* und dessen Fortsetzung Von der Gathen, Katharina/ Kuhl, Anke (2018): Klär mich weiter auf: Noch mehr echte Kinderfragen zu einem aufregenden Thema.* vom Klett-Verlag. 

Die beiden Bücher beantworten lebensweltnah und in einfacher Sprache anonyme Fragen von Kindern, die die Autorinnen* in ihrer Arbeit in der Sexualpädagoginnen* gesammelt haben. Die kleinen Zettelchen sind in der Handschrift der Kinder abgedruckt – mitsamt etwaiger Rechtschreibfehler. Denn um Rechtschreibung geht es hier nicht… Sondern es geht um Sexualität und alles, was dazu gehört.

Als Sexualpädagogin beantworte ich auch oft anonyme Fragen von Kindern und Jugendlichen und finde die meisten der Antworten in den Büchern sehr gelungen. Es ist eine gewisse Schwierigkeit dabei, solche Fragen zu beantworten, weil man immer überlegen muss, ob es tatsächlich um diese spezielle Frage geht oder noch mehr dahinter steckt. Deshalb fallen manche Antworten etwas länger aus, um viel abzudecken.

Bei der Wortwahl finde ich es gut, dass sie beispielsweise statt Schamlippen von Scheidenlippen schreiben und auch die Beschreibungen, beispielsweise des Geschlechtsverkehrs, sind sehr kindgerecht und gelungen. Es wird oft versucht, die Sprache offen zu gestalten. So wird oft von „Menschen“ geschrieben, zwischendurch wird auch gegendert. Schade finde ich, dass nicht durchgehend geschlechtergerechte Sprache verwendet wird.

Ein paar Antworten werden leider heteronormativ beantwortet. So wird die Frage, wer „oben“ und „unten“ liegt, nur auf Frauen und Männer bezogen. Es gibt aber auch ein paar Fragen zum Thema Homosexualität und Regenbogenfamilie. In der Fortsetzung Klär mich weiter auf! wird Transgeschlechtlichkeit erklärt, nicht aber Intergeschlechtlichkeit.

Für etwas mehr Diversität sorgen die zwei Fragen und Antworten zu Sexualität von Menschen mit Behinderung.

Die beiden Bücher eignen sich zum Kreuz- und Querlesen und sind eine gute Ergänzung zu anderen Aufklärungsbüchern, sollten aber nicht als einzige Werke zu diesem Thema zugänglich sein, allein schon, weil sie aufgrund des Formats nicht genauer auf den Körperbau eingehen können.

Das Buch für alle, die einen Körper haben.

Und schon geht es weiter mit den selben Autorinnen, denn AnyBody. Dick & dünn & Haut & Haar: das große Abc von unserem Körper-Zuhause.* ist ebenfalls von der Sexualpädagogin Katharina Von der Gathen und der Illustratorin Anke Kuhl. Schon auf den ersten Blick ist klar, dass hier erfahrene und aus dem Bereich der Sexuellen Bildung kommende Autorinnen tätig waren. Woran ich das gemerkt habe? Die gewählten Begrifflichkeiten sind großteils korrekt und sensibel (außer Scheide vielleicht), es kommen sehr wichtige Themen für die Altersgruppe vor und die Illustrationen sind divers gestaltet – sowohl Haut- und Haarfarben als auch Alter, Behinderungen, Familienformen und Körperformen sind hier ganz unterschiedlich abgebildet. Besonders schön finde ich die Grafiken einer Familie im Wandel der Zeit, weil hier viele Themen dargestellt werden: Geburt und Tod, Trennung und neue Beziehungen, unterschiedliche und sich über die Zeit verändernde sexuelle Orientierungen und verschiedenste Familienformen. Diese Subtilität in der Thematisierung verschiedenster Aspekte fand ich besonders schön. So sieht man beispielsweise einen groß gewachsenen, muskulösen Menschen mit einem Tattoo mit „I love“ und verschiedenen männlichen und weiblichen Namen. Ähnlich subtil wird auch das Thema Trans* illustriert, aber auch unter „T“ aktiv besprochen.

Auch auf gendersensible Sprache wird geachtet, was – wie Sie vielleicht bereits in anderen Rezensionen gelesen haben – leider noch immer nicht selbstverständlich ist.

AnyBody ist eine Art Körperlexikon: zu jedem Anfangsbuchstaben gibt es verschiedene Begriffe, zu denen etwas erklärt wird – also von „Alter“ bis „Zu dick/dünn“. Dabei wird ein sexpositiver, lustvoller Zugang zu Sexualität und Körpern gezeigt, aber auch die Themen Consent, Körpergrenzen und Körperwahrnehmung besprochen. Auch Übungen zum Ausprobieren finden sich in diesem Buch. Beispielsweise gibt es Tipps, wie Lesende damit umgehen können, wenn sie sich selbst hässlich fühlen. Außerdem gibt es eine ganze Seite mit Komplimenten, die sehr schön zu lesen sind.

Die Illustrationen sind allgemein wie auch schon in „Klär mich (weiter) auf“ sehr humorvoll. Besonders die Seite „Wenn Schimpfwörter wahr werden könnten“ fand ich sehr lustig.

Auch das Kapitel über Geschlechterrollen fand ich sehr gelungen, auch wenn ich den Satz „Jeder Junge hat viele unterschiedliche Seiten in sich.“ binär fand. Auch die Erklärung zum Penis war binär und hier hätte es die Grafik eines Penis gebraucht.

Was mich irritiert hat war die Aussage, dass die Lust ab der Pubertät kommt. Gemeint war dabei die körperlich-sexuelle Lust, die aber schon bei der Geburt eines Menschen vorhanden ist.

Mal abgesehen von diesen wenigen Kritikpunkten finde ich AnyBody. sehr gelungen. Manche Themen fand ich weniger relevant und interessant. Der Vorteil an diesem Buch ist allerdings, dass es nicht am Stück gelesen werden muss, sondern sich Lesende aussuchen können, welche Themen sie gerade besonders interessieren.

Menstruationswissen.

Thematisch fokussierter ist Quint, Chella: Mut zum Blut.*, denn hier gibt es jede Menge Informationen rund um die Menstruation, aber natürlich auch Anatomie, um überhaupt verstehen zu können, wozu es die Menstruation überhaupt gibt. Das Buch bezeichnet sich selbst als „inklusives Handbuch zur Menstruation“ und das ist in diesem Buch tatsächlich gelungen!
Schon das Cover zeigt diverse Menschen (was sich im restlichen Buch ebenso fortsetzt), es wird von Menschen mit Uterus gesprochen und der Blick auf die Menstruation ist im Gegensatz zu einigen anderen Büchern zum Thema wirklich positiv. Es wird auf genderbewusste Sprache geachtet und das Gendersternchen kommt zum Einsatz. Die Begriffe Trans*, Inter* und nicht-binär werden unaufgeregt gleich am Anfang erklärt. 

Ich finde es schön, dass betont wird, für wen dieses Buch ist: Für alle, die ihre erste Menstruation bereits hatten oder bald haben und für alle Interessierten, denn:

Jede*r von uns hat mal in einem Uterus gelebt – also hast du auch ein Recht darauf, zu erfahren, wie er funktioniert!

Die Biofacts zu Vulva, Vulvalippen und Uterus werden gut und verständlich erklärt und mit schönen Grafiken untermalt. Auch die verschiedensten Hormone und die Zyklusphasen werden sehr anschaulich verdeutlicht und die Möglichkeiten der Zyklusbeobachtung werden erklärt. Auch der Beckenboden wird beschrieben, was ich als Beckenbodentrainerin natürlich besonders wichtig finde.
Fein finde ich, dass sich dem Tabuthema Ausfluss gewidmet wird, ebenso wie der Zusammensetzung von Menstruationsblut. Besonders wichtig finde ich die Alltagstipps bei Krämpfen und im Umgang mit der Menstruation. Es werden natürlich auch alle möglichen Menstruationsartikel vorgestellt und die Handhabung erklärt. 

Auch um Sex geht es, nämlich um Solosex, verschiedenste sexuelle Handlungen und Geschlechtsverkehr. Beim Geschlechtsverkehr wird leider von „eindringen“ gesprochen – auch wenn es um „eindringen, ohne dass es weh tut“ geht, finde ich das Wort nicht passend. 
Außerdem geht es darum, wie es zu einer Schwangerschaft kommen kann. Dabei wird auch künstliche Befruchtung erklärt. Auch verschiedenste Familienformen werden schön dargestellt.

Am Ende des Buches geht es um den gesellschaftlichen Blick auf die Menstruation (Stichwort blaue Flüssigkeit in Menstruationsproduktwerbung) und wie dieser verändert werden kann. 

Ich bin kein Fan der Du-Form, weil es oft als zu persönlich empfunden werden kann und für Menschen, die tatsächlich nicht menstruieren, an einigen Stellen komisch sein kann. Ansonsten habe ich an Mut zum Blut. nichts auszusetzen, denn es werden wirklich viele Themen rund um die Menstruation abgedeckt und es wird meinen strengen Ansprüchen nach Diversität sehr gerecht. 

Körperbücher über Selbstliebe.

Die Autorin Jessica Sanders hat mit Sanders, Jessica: Liebe deinen Körper.* und Sanders, Jessica: Sei ein ganzer Kerl.* zwei Bücher für Kinder heraus gebracht, die keine klassischen Aufklärungsbücher rund um Schwangerschaft und Co. sind oder die Körperteile beschriften, sondern sich mit Selbstliebe und Selfcare beschäftigen. Es gibt zwei Bücher – eines für Mädchen und eines für Buben. Dadurch sind die Bücher natürlich binär, wobei am Anfang angemerkt wird, dass diese Bücher für Mädchen bzw. Buben sind und für alle, die sich als weiblich bzw. männlich identifizieren. Dadurch bleibt es natürlich trotzdem binär, erweitert das ganze aber ein wenig. Es wird meistens genderbewusste Sprache verwendet, aber leider nicht durchgängig.
Im hinteren Teil der Bücher findet man Empfehlungen für Bücher, die ganz ohne die Genderetikette auskommen.

Was in beiden Büchern auffällt sind die tollen Grafiken, die sehr diverse Körper mit verschiedensten Hautfarben, Körperformen und mit und ohne sichtbare Behinderungen abbilden. Auch Geschlechterrollen werden in beiden Büchern aufgeweicht, beispielsweise indem in „Sei ein ganzer Kerl“ Männer* in rosa und in gesellschaftlich untypisch männlichen Situationen gezeigt werden.

Die Schrift ist groß und gut leserlich und wenn Wörter verwendet werden, die eine Erklärung benötigen, wird dies mit einem Sternchen und einer Erklärung in einer kleinen Box gemacht.

Der Text ist in beiden Büchern wenig abwechslungsreich, die Message ist – wie auch in „Körper sind toll“ – recht klar: alle Körper sind gut so, wie sie sind. Wie auch bei „Körper sind toll“ finde ich die Botschaft dahinter schön, aber auch hier ist der Gedanke, dass man sich selbst immer lieben soll, durchaus stressig. Sich selbst zu akzeptieren ja, aber wer liebt sich denn wirklich immer selbst? Im Gegensatz zu „Körper sind toll“ ist hier der Fokus bei der Selbstliebe nicht ausschließlich auf den Körper zentriert. Es wird betont, dass jeder Mensch mehr als der eigene Körper ist. Das ist eine wichtige Botschaft, die oft zu kurz kommt, ebenso die Botschaft, dass man immer wert ist, geliebt zu werden.

Schön finde ich, dass beide Bücher unterschiedliche Anregungen, Fragen und Beispiele zur Selbstliebe geben. Dadurch wird der vorher ausgelöste Stress, sich immer lieben zu sollen, erleichtert und einige Ideen gegeben, um sich selbst mehr annehmen zu können. Teilweise finde ich den Weg zu mehr Selfcare ziemlich herausfordernd und es benötigt sicherlich Begleitung durch Erwachsene – doch auch das steht im Vorwort. Wichtig finde ich auch, dass thematisiert wird, wie wichtig es ist, um Hilfe zu bitten und wohin man sich wenden kann.

Interessant finde ich übrigens die verwendeten Schriftarten auf den Covern. Die verwendete Schrift bei „Sei ein ganzer Kerl“ ist geradliniger, während die bei „Liebe deinen Körper“ geschwungener und runder ist – beides entspricht eher den klassisch männlichen und weiblichen Attributen und ist hoffentlich gewollt so gewählt.

Der Text der beiden Bücher ist ähnlich, aber nicht ident. Beide Bücher gehen nämlich auch auf spezifische Themen von Mädchen und Buben ein, die gesellschaftlich auferlegt und normiert sind. So wird in „Sei ein ganzer Kerl“ der Wettkampfgedanken angesprochen und dass Buben aus gesellschaftlicher Sicht immer stark sein müssen. Auch Gefühle spüren wird im Buch, das für Buben* gemacht ist, besonders thematisiert, was ich sehr wichtig finde.
Insbesondere bei „Sei ein ganzer Kerl“ ist es aus meiner Sicht wichtig, es rechtzeitig anzubieten. Sobald Buben* nämlich dieses „immer cool sein müssen“ internalisiert haben, könnte dieses Buch sehr uncool rüber kommen. Rechtzeitig verwendet kann es aber sehr viel bewirken und schon vorab zeigen, dass Gefühle in Ordnung sind, wie man damit umgehen kann und dass Buben* und Männer* nicht immer stark sein müssen.

Alles in allem sind beide Bücher keine klassischen Aufklärungsbücher, zeichnen sich aber durch den Fokus auf Selbstliebe und Selfcare und durch die tollen diversen Illustrationen aller Körperteile sehr aus.

 

 

 

 

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gefühls*echt
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