Letztes Mal habe ich Ihnen Aufklärungsbücher für Kinder ab 8 Jahren vorgestellt. Heute geht es weiter mit Büchern für Kinder ab 9 Jahren!

Sie fragen sich jetzt vielleicht, ob es zwischen 8- und 9-jährigen Kindern wirklich so große Unterschiede gibt, dass ein eigener Blogpost notwendig ist. Die Antwort lautet NEIN. Wie bereits mehrmals erwähnt ist es ohnehin notwendig, für jedes Kind individuell zu entscheiden, welche Bücher interessant und geeignet sind und welche nicht. Ich habe mich aber rein aus Gliederungszwecken an die Angaben der Verlage gehalten. Aber klar, die Bücher, die ich Ihnen gleich vorstelle, können auch für jüngere Kinder interessant sein – und die für Kinder ab 8 Jahren eignen sich natürlich auch später noch. 😉

Auch die Themen, die Kinder in diesem Alter in Bezug auf sexuelle Bildung interessieren, sind natürlich sehr ähnlich. Also ja, auch 9-jährige Kinder interessieren sich für die Pubertät, Sexualität, Körper und… die Liebe! 😉

Ein Klassiker.

Ein klassisches Aufklärungsbuch ist Van der Doof, Sanderijn: Wie ist das mit der Liebe?* des Loewe-Verlags. Was einem beim Aufschlagen des Buches sofort auffällt ist die leichte und somit sehr kindgerechte Sprache, die im gesamten Buch verwendet wird, und die schönen Illustrationen, die ganz ohne rosa-blau-Klischees auskommen.

Besonders schön finde ich die sehr offen gehaltene Erklärung von Sex. Meistens wird Sex mit Geschlechtsverkehr gleichgesetzt, was schlichtweg falsch ist. Geschlechtsverkehr kann ein Teil von Sex sein, muss es aber nicht. Das Buch erklärt Sex übrigens so:

Sex ist schwer zu erklären, aber es hat mit einem besonderen Gefühl zu tun. Es ist ein gutes, ein tolles und zugleich ein richtig wohliges Gefühl. Dieses Gefühl kannst du auf ganz verschiedene Weisen bekommen.

Auf diese Erklärung folgen viele verschiedene Beispiele angefangen bei eigenen Berührungen über Selbstliebe bis hin zu homo- und heterosexuellen Kontakten. Geschlechtsverkehr als eine mögliche Art des sexuellen Kontaktes wird natürlich auch noch auf kindgerechte Weise erklärt. Schade finde ich hier allerdings, dass die Erklärung des Orgasmus ein wenig so klingt, als wäre er eben ein Muss beim Geschlechtsverkehr.

Die Realität sieht anders aus und die Annahme, dass es einen Orgasmus geben muss, kann später ziemlich Stress machen.

Gut gelungen finde ich das Kapitel über Geschlechterrollen, weil hier gängige Klischees klar angesprochen und als solche enttarnt werden. Ab und zu wird übrigens auch gegendert, allerdings bei weitem nicht durchgängig.

Schade finde ich das bereits oft erlebte Fehlen der Vulva und die Verwendung des Begriffs Schamlippen. Dafür wird aber erklärt und gezeigt, dass sich Mädchen* mit dem Spiegel ihr Geschlecht ansehen können. Auch die körperlichen Veränderungen während der Pubertät werden sehr genau beschrieben, obwohl ich die Aussage „Das (Menstruationsblut) musst du mit einer Monatsbinde in deinem Schlüpfer auffangen.“ sehr unpassend formuliert finde. Die Wahl, ob und welches Produkt hier verwendet wird, obliegt jeder menstruierenden Person selbst.

Die Illustrationen sind wie bereits erwähnt sehr gut gelungen, insbesondere, da hier auf Diversität geachtet wird. Es werden sowohl unterschiedliche Körperformen, Haar- und Hautfarben gezeigt als auch eine Person im Rollstuhl.

Trotz meiner Kritik an „Wie ist das mit der Liebe?“ geht das Buch auf viele Themen ein, die in anderen Büchern nicht vorkommen, beispielsweise künstliche Befruchtung und Adoption, Totgeburt, Behinderung, alternative Familienformen und sexuelle Gewalt.

Die Idee, ein Kapitel mit „Wörtern, die mit Sex zu tun haben“ zu verfassen, das eine Art Lexikon darstellt, finde ich prinzipiell gut. Ich frage mich nur, wie die Auswahl der Begriffe zustande gekommen ist. Außerdem finde ich es schwierig, dass AIDS mit „eine tödliche Krankheit“ erklärt wird, weil das ziemlich reduzierend ist. Wie so oft ist auch die Klitoriserklärung nicht ernstzunehmen in diesem Buch, denn auch hier ist sie nur eine kleine Erhebung oder Perle…
Das Lexikon hätte die Möglichkeit geboten, Nichtbinarität, Inter und Trans zu thematisieren, nachdem diese Themen sonst nirgendwo Platz gefunden haben – leider wurde das aber verabsäumt.

Trotz so mancher Kritik und Änderungsvorschläge meinerseits finde ich das Buch gut gelungen und empfehlenswert. Ich persönlich würde ein Aufklärungsbuch jedoch nicht in der Du-Form schreiben, weil sich Kinder dadurch direkt angesprochen fühlen und das für manche zu viel sein könnte. Gleichzeitig baut es Kontakt zu den Leser*innen auf und ist sicherlich eine Geschmacksfrage der Kinder.

Das Kunstwerk.

Das nächste Buch, das ich Ihnen hier vorstelle, ist mit keinem der bisher rezensierten Bücher vergleichbar. Axster, Lilly/Aebi, Christine: DAS Machen? Projektwoche Sexualerziehung in der Klasse 4c. ist nämlich in Wahrheit ein Kunstwerk. Spätestens seit ich einen Workshop bei der Illustratorin des Buches, Christine Aebi, besucht habe, ist mir das klar. Doch auch beim Durchblättern ist die Liebe und Kreativität, die in dieses Buch geflossen ist, sofort erkennbar. Welches Kinderbuch braucht sonst fünf Jahre, bis es fertig ist? 😉

Das Buch ist nicht nur aufgrund der Illustrationen, sondern auch wegen seines Textes nicht mit den bisherigen Büchern vergleichbar, denn es ist eine Geschichte, die manchmal mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Und zwar mit Absicht, denn dieses Buch sieht sich selbst nicht als Wissensvermittlung, sondern möchte Gefühle wecken.

In der Geschichte geht es um eine Volksschulklasse, nämlich die 4c, die eine Projektwoche zum Thema Sexualerziehung hatte. Überraschung. 😉

Dadurch eignet sich das Buch übrigens auch als Ideenquelle für Lehrer*innen, die eine Projektwoche planen möchten. Übrigens gibt es auf der letzten Seite ein tolles Beispiel für eine Antwort auf persönliche Fragen durch Kinder. Ich will hier aber nichts vorweg nehmen. 😉

Das Buch vermittelt viele Gefühle, so auch, wie meine Arbeit in den Schulen manchmal aussieht. Es geht näher darauf ein, wie unterschiedlich der Wissensstand von Kindern sein kann und welche Vorstellungen bei Kindern entstehen können, wenn manche Erklärungen abstrakt gehalten sind. So steht im Buch:

Zoltan hat gehört, dass manche Menschen sich dafür extra verkleiden und rollen spielen. Oder Kleider tauschen. Die Illustration zeigt einen Cowboy und eine Prinzessin, die Kleidung tauschen.

Auf einer Doppelseite findet man anonyme Fragen, die die 4c in einen Briefkasten werfen durfte, und die tatsächlich aus der sexualpädagogischen Praxis der Texterin stammen. Die Fragen werden in diesem Buch nicht beantwortet, denn darum geht es hier eben nicht. Deshalb eignet sich „DAS machen?!“ aus meiner Sicht auch nicht als  einziges Aufklärungsbuch, sondern ist eine Erweiterung zu den klassischen Aufklärungsbüchern – so sieht es übrigens auch die Illustratorin.
Auf der Website zum Buch findet man nähere Informationen und auch Antworten auf die Fragen, die im Buch abgedruckt sind, damit Erwachsene Kinder beim Lesen des Buches gut begleiten können.

Was mir ganz besonders gut gefällt, ist die Offenheit des Buches in Bezug auf Geschlechter. So teilt die Lehrerin Gruppen in der Klasse nicht nach dem Geschlecht auf, sondern:

Alle, die neugierig waren, wie das wird mit der Regel, und alle, die das nicht interessiert. Alle, die einen Samenerguss haben – werden -, und alle, die das nicht interessiert. Und so weiter…

Zwischendurch wird quasi nebenbei mit Geschlechterrollen gespielt, wenn ein Kind mit rosa Tütü und Penis abgebildet wird. Außerdem ist dieses Buch wohl das einzige Aufklärungsbuch für Kinder, das einen queeren Geschlechteransatz thematisiert: „Es gibt genau genommen so viele Geschlechter, wie es Menschen gibt, das hätten wir nicht vermutet.“ Auch Intersexualität wird genannt, ebenso wie verschiedenste sexuelle Orientierungen.

Wenig überraschend ist vermutlich, dass dieses Buch auch divers ist. Insbesondere die Doppelseite, in der die Kinder thematisieren, was es mit dem Begriff Hautfarbe bei Stiften auf sich hat und dass das verwirrend sein kann, macht das deutlich.

Auch Verliebtsein, Körperwahrnehmung und der Umgang mit Körpergrenzen wird gefühlvoll angesprochen, ohne es mit Worten plump zu erklären. Die Verschiedenheit der einzelnen Klassenmitglieder wird als etwas Schönes und Normales dargestellt.

Sie haben vielleicht herausgelesen, dass ich ein absoluter Fan dieses Buches bin, weil es genau das schafft, was die Macherinnen beabsichtigt haben: Es vermittelt Gefühle, die in anderen Aufklärungsbüchern nur durch Worte angesprochen werden. Einzig das Buchformat finde ich persönlich ein wenig mühsam, weil das Buch schwer zu halten, umzublättern und im Kastl zu verstauen ist. Das ist aber auch schon die einzige Kritik meinerseits und das ist nun wirklich ungewöhnlich! 😉

 

*Das ist ein Affiliate Link. Durch das Klicken werden Sie direkt zum Onlineshop von Thalia weitergeleitet und bei Kauf des Buches erhalte ich eine kleine Vergütung. Für Sie ändert sich aber nichts! Ich werbe ausschließlich für Produkte, die ich selbst getestet habe und von denen ich überzeugt bin.

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gefühls*echt
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