Über den Körper.
Vor einiger Zeit habe ich zufällig entdeckt, dass es ein neues Aufklärungsbuch gibt, dessen Cover ich bereits sehr ansprechend fand:
Daraufhin habe ich ein wenig mit einer der Autorinnen* geschrieben, um mehr über das Buch und die Macher*innen zu erfahren. Immer wieder schreiben Menschen Aufklärungsbücher, die sich mit dem Thema nicht so gut auskennen, was per se nicht unbedingt ein Problem ist – manchmal aber leider zu Fehlinformationen führt, was dann sehr wohl ein Problem darstellt. Das ist bei folgendem Buch nicht so, denn Katharina Schönborn-Hotter war selbst in der Sexuellen Bildung tätig. Und das merkt man auch beim Lesen des Buches.
Umso mehr freue ich mich daher, dieses Buch nun in Händen zu halten und hier rezensieren zu dürfen!
Schönborn-Hotter, Katharina; Sonnberger, Lisa Charlotte; Staffelmary, Flo: Lina, die Entdeckerin* ist das erste Buch, das ich hier vorstelle, bei dem ich auch etwas über die Papierqualität anmerken möchte, denn sie ist mir positiv ins Auge oder eher in die Hände gestochen. Das Buch fühlt sich einfach gut an! Und ja, ich finde, das ist bei Büchern – insbesondere bei solchen mit schönen Grafiken und bei Kinderbüchern – wichtig.
Genug von meinem Interesse an Papier, jetzt geht es um den Inhalt, denn auch der hat einiges zu bieten!
In Lina, die Entdeckerin geht es um ein Mädchen, das sich auf die Entdeckungsreise zu ihrer Vulva macht. Das ist eine wirklich schöne Idee, die auch sehr fein umgesetzt wird.
Im Vorwort wird betont, wie wichtig den Autor*innen Diversität ist und dass darauf bei den Illustrationen geachtet wurde – und das ist tatsächlich gut gelungen! So sieht man Menschen mit und ohne Körperbehaarung, mit unterschiedlicher Haar- und Hautfarbe und mit verschiedenen Körperformen.
In der ersten Auflage war das Vorwort noch binär – das wurde aber überarbeitet, was ich fein finde!
Dank der gereimten Geschichte, auch wenn die Reime teilweise recht holprig sind, bietet sich das Buch wunderbar zum Vorlesen für Kinder ab drei Jahren an, wie es der Verlag vorschlägt, wobei ich denke, dass etwas ältere Kinder sogar noch mehr Freude mit diesem Buch haben. Aber wie immer sind die Altersangaben ohnehin nur Richtwerte und sollten für jedes Kind individuell betrachtet werden.
Gelungen finde ich auch die Passagen mit Zusatzinformationen für die Vorlesenden und ältere Kinder. So können auch Vorlesende Neues lernen, ohne sich dabei unwissend vorzukommen. Denn Erwachsene können und müssen nicht alles wissen – auch nicht zu Körper und Sexualität! So schafft es das Buch charmant, dass alle Vorlesenden einen ähnlichen Wissensstand erhalten.
Es werden auf spielerische und kindgerechte Art Themen wie Körperbehaarung, vaginale Geburt, Menstruation und die Wichtigkeit von Begrifflichkeiten angesprochen. Dabei bietet das Buch einen lustigen und lustvollen Zugang zur Vulva – insbesondere dank der Illustration von Lina, die in den Schnee pinkelt. 😉 Auch die Individualität von Vulven und Menschen im Allgemeinen wird betont.
Wer nach einem Buch sucht, in dem die Entstehung von Babys thematisiert wird, wird hier jedoch nicht fündig. Dafür ist Lina, die Entdeckerin tatsächlich eines der ganz wenigen Kinderbücher, das sowohl die Vulva als auch die Klitoris – nämlich die ganze Klitoris – thematisiert und benennt. Davon braucht es definitiv mehr!
Ich bin jedenfalls sehr begeistert von diesem Buch, weil es so schön unaufgeregt wichtige Themen behandelt und das ganze mit unglaublich schönen Illustrationen veranschaulicht. Wer schon öfter Rezensionen von mir gelesen hat, weiß, welche Kriterien mir wichtig sind, und dass ich selten so wenige Kritikpunkte finde.
Auch in Feder, Tyler: Körper sind toll* geht es um den Körper, allerdings weniger vulvazentriert als in „Lina“. Hier steht der ganze Körper im Mittelpunkt. Die Hauptmessage ist klar:
Alle Körper sind toll, so wie sie sind!
Was mich auf den ersten Blick und auch beim Durchblättern des Buches begeistert hat, war die unglaubliche Diversität der abgebildeten Körper. So sieht man hier Menschen unterschiedlichster Körperformen, Hautfarben, Haarfarben und Frisuren, Menschen mit künstlichem Darmausgang, mit einer Narbe, die vermutlich von einer Operation am Herzen herrührt, Menschen im Rollstuhl, Personen mit Prothesen etc. Die Illustrationen begeistern mich wirklich sehr in diesem Buch.
Der Text selbst begeistert mich leider eher weniger. Die Reime hinken und sind teilweise wirklich schwer vorlesbar. Insbesondere bei der Seite zu den Genitalien ist mir nicht klar, was der*die Übersetzer*in überhaupt sagen möchte mit „Du bestimmst für dich, jawoll!“. Was wird bestimmt? Das Genital, wie man bezeichnet werden möchte, wer es berühren darf oder…?
Der Fokus beim Text liegt bei aus gesellschaftlicher Sicht nicht so schönen Körperteilen, also beispielsweise Segelohren, Hakennase und Co. Das finde ich schon in Ordnung, aber wenn es in dem Buch darum geht, dass alle Körper toll sind, hätte es hier keinen so starken Fokus auf vermeintlich negative Dinge geben müssen.
Ich finde zwar die allgemeine Message, dass alle Körper gut so sind, wie sie sind, wichtig. Gleichzeitig kann es stressig sein, das Gefühl zu haben, seinen Körper IMMER toll finden zu müssen. Denn manchmal empfinden Menschen das nicht so und das ist dann auch genauso in Ordnung. So wichtig ich die Bodypositivity-Bewegung finde, so wichtig finde ich es aber auch, Raum dafür zu geben, dass es Tage und Phasen gibt, wo Menschen ihren Körper gerade nicht so toll finden.
Durch die Diversität der Bilder passt das Buch trotz meiner Kritik sehr gut in meine Kategorien. Es ist nämlich definitiv nicht binär, wenn es Menschen mit Brust und Penis zu sehen gibt und im Text „männlich, weiblich, keins von beiden“ steht. Außerdem wurden die korrekten Begriffe für die Genitalien verwendet. Trotzdem finde ich es schade, dass durch das krampfhafte Reimen ein ansonsten wunderbares Buch so schwer lesbar gemacht wurde. Das Buch wurde aus dem Englischen übersetzt, doch auch die Originalreime auf Englisch finde ich ehrlicherweise nicht besser.
Wer auf der Suche nach einem Buch mit einer zusammenhängenden Geschichte zum Vorlesen ist oder einfach Reime nicht besonders mag, findet in Tielmann, Christian/Westphal, Catharina: Unsere Körper. Von Kopf bis Fuß.* ein Buch, das sich mit dem gesamten Körper befasst. Die Geschichte selbst ist nicht wahnsinnig spannend, was für die Zielgruppe aber auch so passt. Ich durfte sie meinem zweijährigen Kind gleich mehrmals hintereinander vorlesen. 😉
Das Buch handelt von zwei Kindern, die sehr gut befreundet und Nachbar*innen sind. Olivia möchte bei Leo übernachten und im Zuge der Vorbereitung dieser Übernachtung kommen sie über den Körper ins Gespräch. Sie fragen allerlei „Warum-Fragen“, die viele Erwachsene sicherlich gut kennen.
„Warum sind Erwachsene stärker als Kinder?“
„Warum kann man sich das Ohrläppchen nicht brechen?“
„Warum müssen wir eigentlich Zähne putzen?“ und so weiter…
Die Fragen werden kindgerecht von Leos Mama beantwortet – sie ist nämlich Ärztin und kennt sich mit dem menschlichen Körper gut aus. Durch den kochenden Papa und die Ärztinnenmama werden hier Geschlechterklischees zumindest ein wenig aufgelockert. Schade finde ich, dass das Buch nicht sonderlich divers ist – die abgebildeten Menschen sehen alle ziemlich gleich aus.
Es werden viele Themen rund um den Körper besprochen und mit schönen Illustrationen dargestellt. Es geht um Muskeln, Knochen, das Gehirn, Zähne, den Blutkreislauf, den Darm, die Sinne etc.
Auf zwei Seiten sind die Kinder nackt zu sehen und siehe da! Die Vulva wird auch genau so genannt. Und das ist in Büchern, die nicht wie „Lina, die Entdeckerin.“ einen Fokus auf die Vulva haben, eher unüblich. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass es nun ein Körperbuch gibt, das sich mit vielen Themen befasst UND die Vulva richtig benennt. Mit der Aufteilung in Mädchen (Vulva) und Buben (Penis und Hoden) ist das Buch allerdings binär. Es wird aber an den meisten Stellen auf genderbewusste Sprache geachtet.
Über Schwangerschaft und Geburt.
Wer ein diverseres und abseits von Heteronormativität und Binarität angesiedeltes Buch sucht, wird bei Scheerer, Susanne/von Sperber, Annabelle (2018): Zwei Mamas für Oscar.* vom Ellermann-Verlag fündig. In diesem Buch geht es um ein lesbisches Pärchen, das sich nach einem Kind sehnt. Die Traurigkeit, die bei einem unerfüllten Kinderwunsch entstehen kann, wird hier sehr deutlich gezeigt und thematisiert.
Wenn zwei Frauen ein Baby bekommen wollen und keine von den beiden einen Penis hat, müssen sie sich den Samen woanders holen. Vielleicht bekommen sie ihn von einem Mann geschenkt.
Wie das Zitat zeigt, wird auch Intergeschlechtlichkeit und Transsexualität erwähnt. Kinder erfahren in diesem Buch auf sehr anschauliche, schöne Weise, dass es die Möglichkeit der Samenspende durch Personen aus dem nahen Umfeld gibt und wie die Befruchtung mit diesen Samenzellen zu Hause funktioniert. Auch heterosexueller Geschlechtsverkehr wird sehr anschaulich dargestellt und genau erklärt.
Nähere Einblicke in das Buch finden Sie übrigens hier!
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Wir haben Lina zuhause und lieben das Buch! Nun suche ich nach einem Äquivalent für meinen Sohn. Hast du da eine Empfehlung?
Ein richtiges Äquivalent gibt es leider noch nicht. Aber das Buch, das ist gemeinsam mit Verena Tschemernjak geschrieben habe, inkludiert alle Geschlechter. Es geht aber um das Thema Schwangerschaft und Geburt, nicht nur um Körper.
Hallo Conny, bin gerade beim recherchieren von Aufklärungsbüchern auf Deine Seite gestoßen und habe mich sehr über die Kritiken gefreut.
Zu obiger Frage scheint es jetzt wohl eine Antwort zu geben. Als ich eben über Dein Buch zum Achse Verlag gelangt bin, habe ich gesehen, dass im April/Mai folgendes Buch erscheinen soll: https://www.achseverlag.com/produkt/bruno-will-hoch-hinaus/ Vielleicht wusstest Du es auch schon. Ich bin gespannt auf Deine Rezension. 🙂
Viele Grüße
Ann-Katrin
Liebe Conny,
der Link von dir führt zu Thalia, wo bisher nur 2 Rezensionen sind, beide sind eher negativ.
Ich hab das Buch noch nicht (ist aber schon auf der Bestellliste) – vielleicht magst du ja dort auch was hinterlassen aus deiner Sicht.
Liebe Grüße
Vielen Dank für den Hinweis! Die Rezensionen dort sind ja wirklich sehr schlecht und zeigen, warum Sexuelle Bildung so wichtig ist. Ich werde gleich mal etwas Positives schreiben!