Heute überlasse mich meinem Blog meiner lieben Kollegin Hannah Carla Broessler. Denn obwohl ich mich im Rahmen der Familienplanung sehr genau mit den Themen Verhütung und Fruchtbarkeit auseinander gesetzt habe, bin ich beim Thema Natürliche Familienplanung zur Schwangerschaftsverhütung bei weitem nicht so versiert wie Hannah. Sie hat nämlich eine spezielle Ausbildung dazu gemacht und berät Menschen, die mit dieser Methode verhüten möchten.
Einen allgemeinen Überblick über Verhütungsmethoden, hormonfreie Verhütung und hormonelle Verhütung finden Sie hier!
Viele Menschen, die nach einer nebenwirkungsfreien Verhütungsmethode suchen, stolpern früher oder später über Begriffe wie: natürliche Verhütung, natürliche Familienplanung (NFP), natürliche Empfängnisregelung (NER), Selbstbeobachtung und Fruchtbarkeitsbewusstsein.
Gleichzeitig mit dem Begriffs-Wirrwarr gibt es einen Dschungel an Meinungen rund um diese Methoden. „Unsicher!“ „So sicher wie die Pille!“ „Nur für Menschen mit regelmäßigem Zyklus!“ etc.
Hier findet ihr einen Überblick über natürliche Methoden und Grundlagenwissen für die Beantwortung der Frage: Ist natürliche Verhütung eine passende Methode für euch?
Was ist natürliche Verhütung?
Natürliche Verhütung hat ein Definitionsproblem: Es gibt viele verschiedene Methoden, die unterschiedlich funktionieren – und damit auch unterschiedlich verlässlich sind. Deshalb ist ein Überblick über natürliche Methoden wichtig.
„Natürlich“ bedeutet: NFP und Co. greifen nicht in die „natürlicherweise“ ablaufenden körperlichen Prozesse ein, wie es z.B. die Pille tut. Stattdessen beobachtet ihr mit natürlichen Methoden den Menstruationszyklus. So findet ihr heraus, wann die fruchtbare und wann die unfruchtbare Zeit ist. Geschlechtsverkehr timed ihr dann danach. Wenn gerade kein Kinderwunsch besteht, heißt das: Geschlechtsverkehr nur in der unfruchtbaren Zeit.
Wie findet ihr die unfruchtbaren Tage heraus? Ihr beobachtet verschiedene Körperzeichen wie z.B. die Körpertemperatur oder den Zervixschleim und interpretiert sie.
Achtung: Unterschiedliche Methoden basieren auf unterschiedlichen Körperzeichen. Das führt zu einer unterschiedlichen Handhabung und Sicherheit für die Verhütung.
Wie sicher sind natürliche Methoden?
Das variiert von Methode zu Methode stark. Manche sind ähnlich sicher wie die Pille und manche sind tatsächlich nur dann geeignet, wenn eine ungeplante Schwangerschaft gerade auch kein großes Problem wäre.
Nicht für sichere Verhütung geeignet
Hormonmessgeräte, Temperaturcomputer, CO2-Messgeräte, Speichel-Mikroskope etc.
Es gibt einige Geräte auf dem Markt, die verschiedene Fruchtbarkeitszeichen messen bzw. deren Beobachtung unterstützen. Sie geben zwar womöglich gute Hinweise für die fruchtbare Zeit, können aber die unfruchtbare Zeit nicht sicher bestimmen. Sie sind deshalb höchstens für das Anstreben einer Schwangerschaft geeignet, nicht aber zur Verhütung.
Kalendermethoden
Die Kalendermethoden basieren auf dem Beobachten der Menstruation und dem Ausrechnen der fruchtbaren Zeit. Das Problem: Die Dauer eines Menstruationszyklus und der Zeitpunkt der fruchtbaren Zeit unterscheiden sich von Mensch zu Mensch und von Zyklus zu Zyklus. Selbst wenn ihr normalerweise einen regelmäßigen Zyklus habt, kann z.B. Stress unerwartet einen Zyklus durcheinanderbringen. Deshalb ist das reine Ausrechnen der fruchtbaren Zeit keine sichere Methode.
Reine Zervixschleimmethoden
Der Zervixschleim wird im Gebärmutterhals gebildet und ändert sein Aussehen im Verlauf des Zyklus (in Abhängigkeit der Östrogen-Konzentration). Bei wenig Östrogen ist der Zervixschleim unter Umständen gar nicht beobachtbar bzw. hat eine weißliche, dickliche Konsistenz. Bei viel Östrogen wird er typischerweise wässriger, durchsichtiger und lässt sich zu Fäden ziehen. Um den Eisprung herum tritt ein Gipfel der Östrogen-Konzentration auf. Allerdings kann das Östrogenlevel auch vor und nach dem Eisprung Gipfel aufweisen, ohne dass ein Eisprung stattfindet. Zur sicheren Verhütung ist deshalb das alleinige Beobachten des Zervixschleims nicht geeignet.
Für sichere Verhütung geeignet
Strenge Temperaturmethode nach Döring
Die Aufwachtemperatur hat im Verlauf des Zyklus zwei Niveaus (in Abhängigkeit der Progesteron-Konzentration): Sie ist nach dem Eisprung wenige Zehntelgrade erhöht. Mit der strengen Temperaturmethode bestimmt ihr so die unfruchtbare Zeit nach dem Eisprung. Zwar hat diese Methode grundsätzlich eine sehr gute Sicherheit: Der Methoden-Pearl Index der strengen Döring-Methode beträgt z.B. 0.1, der Gebrauchs-Pearl Index 0.8.*
Dafür ist die strenge Temperaturmethode für viele Menschen wenig praxistauglich. Sie basiert nur auf einem einzelnen Körperzeichen. Die Körpertemperatur kann noch dazu den Eisprung nicht vorhersagen, sondern nur im Nachhinein bestimmen. Das Regelwerk ist deshalb sehr streng und kann nur einen Teil der tatsächlich unfruchtbaren Zeit sicher erfassen. Bei dieser Methode müsst ihr deshalb unnötig viele Tage von potenzieller Fruchtbarkeit ausgehen und auf ungeschützten Geschlechtsverkehr verzichten.
Symptothermale Methoden
Symptothermale Methoden kombinieren das Beobachten von Zervixschleim oder Gebärmutterhals (sympto-) und Aufwachtemperatur (-thermal). Diese beiden Zeichen sind mit zwei unterschiedlichen Zyklus-Hormonen gekoppelt: das schon erwähnte Östrogen und Progesteron.
Die Körperzeichen sichern sich gegenseitig ab. Das macht symptothermale Methoden verlässlich und praxistauglich. Achtung: Es gibt auch verschiedene symptothermale Methoden, die alle ein wenig anders funktionieren. Wenn ihr natürlich verhüten wollt, ist es wichtig, dass ihr euch für eine davon entscheidet und auch einen Blick auf den Pearl Index der jeweiligen Methode werft.
Empfehlenswert: Die symptothermale Methode Sensiplan
Auch mit Sensiplan beobachtet ihr die Aufwachtemperatur und den Zervixschleim bzw. Gebärmutterhals. Das Besondere an der symptothermalen Methode Sensiplan ist die Modernität des Regelwerks und das Lernsetting.
Die Sicherheit von Sensiplan ist vergleichbar mit der Pille: Der Methoden-Pearl Index beträgt 0.4 (also bei perfekter Anwendung). Der Gebrauchs-Pearl Index beträgt 1.8 (also inklusive typischer Anwendungsfehler).* Typische Anwendungsfehler bei Sensiplan wären z.B.: Eine Regel falsch eingelernt, Thermometer falsch abgelesen oder euch schlicht nicht daran gehalten, dass gerade fruchtbare Zeit ist und ungeschützten Geschlechtsverkehr „riskiert“.
Wie auch bei den anderen sicheren natürlichen Methoden ist Sensiplan auch bei unregelmäßigen Zyklen geeignet. Denn ihr beobachtet und interpretiert jeden Zyklus einzeln.
Wie aufwändig ist Sensiplan?
So sieht euer Alltag mit Sensiplan aus: Morgens gleich nach dem Aufwachen ist euer erster Griff zum Thermometer. Ihr messt eure Aufwachtemperatur, notiert sie inklusive Messzeit und möglichen Störfaktoren. Störfaktoren sind Ereignisse, die eure Körpertemperatur erhöhen können, aber nicht mit dem Eissprung zu tun haben (z.B. eine Verkühlung).
Untertags beobachtet ihr das Östrogenzeichen: Den Zervixschleim oder alternativ dazu den Gebärmutterhals.
Abends notiert ihr die Beobachtungen des Tages in einem Zyklusblatt und interpretiert sie.
Der Aufwand unterscheidet sich nach eurer Anwendungs-Erfahrung: In der ca. dreimonatigen Lernphase gibt es viel zu lernen und zu beachten. Grundlegende Körpervorgänge wollen verstanden und erspürt werden, Routinen wie das Temperaturmessen eingewöhnt und Regeln erlernt. Geübte Anwender*innen haben kaum noch Aufwand. Er beschränkt sich im Normalfall auf maximal ein paar Minuten täglich.
Welche Vor- und Nachteile hat Sensiplan?
Bei natürlichen Methoden gibt es einige Besonderheiten und damit auch einige Vor- und Nachteile. Ein paar der Besonderheiten können je nach Mensch bzw. Paar ein Vor- oder Nachteil sein.
Vorteile
- Sicher und nebenwirkungsfrei
- Fördert Allgemeinwissen und Körperkompetenz
- Anwendungsvielfalt: in unterschiedlichen Lebensphasen, auch für Zyklustracking und Kinderwunsch
- Beginn und Ende ist jederzeit möglich
- Vergleichsweise geringer finanzieller Aufwand
- Sozial & ökologisch nachhaltig, da außer einem Thermometer keine Produkte benötigt werden
Vor- oder Nachteile
- Lernphase & Aufwand: anfangs hoch, später gering
- Braucht und fördert Eigenverantwortung, Partnerschaftlichkeit und offene Kommunikation
- Umgang mit fruchtbarer Zeit: kann als einschränkend oder kreativitätsfördernd empfunden werden
- Viele Mythen und schlechter Ruf: kann unangenehm sein oder motivierend, hier Aufklärungsarbeit zu leisten
Nachteile
- Kein Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten
- Ein unregelmäßiger Lebensstil kann die Beobachtung erschweren
- Wenige Bildungsangebote und damit schlecht zugänglich
Wie könnt ihr Sensiplan lernen?
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten: Im Selbststudium, mit Online-Kursen oder persönlicher Begleitung. Achtung: Der Pearl Index von Sensiplan bezieht sich auf persönliche Begleitung. Zur Sicherheit nach dem Lernen im Selbststudium oder mit Online-Kursen gibt es noch keine Zahlen. Eine professionelle Begleitung durch ausgebildete Sensiplan-Trainer*innen ist deshalb empfehlenswert.
Selbststudium
Ein guter Einstieg ins Selbststudium ist der „Natürlich verhüten Basis-Kurs“. Dort erfahrt ihr Grundlegendes über natürliche Verhütung mit Sensiplan und was ihr für das Selbststudium braucht.
Der Kurs begleitet bei den ersten Schritten mit der symptothermalen Methode Sensiplan (NFP). Er beinhaltet Videos, Übungen und eine Zyklus-Community mit begleiteten Zoom Calls.
Mit dem Rabattcode „gefuehlsecht“ gibt es 10% Rabatt auf den gesamten Kurs!
Persönliche Begleitung
Eine Liste mit weiteren Sensiplan-Trainer*innen findet ihr hier!
Über die Gastautorin
Hannah Carla Broessler ist Trainerin für Sensiplan, Sexualpädagogin i. A. und integral-systemische Coachin. Mit ihrem Unternehmen Wandellust schafft sie Räume für Wissen, Tools und Austausch rund um Sexualität, Gesundheit, Beziehungen, Empowerment und Nachhaltigkeit.
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Foto Credits: Dominik Glatzl
*Spannende weiterführende Infos und eine Sammlung von Studien für die Sicherheit verschiedenster natürlicher Methoden findet ihr hier: Raith-Paula, Frank-Hermann et al. (2013). Natürliche Familienplanung heute – Zykluswissen für Beratung und Anwendung. 5. Auflage. Springer Verlag.
One Reply to “Das 1×1 der Verhütung: Selbstbeobachtung, NFP und Fruchtbarkeitsbewusstsein”